Freitag, 4. September 2015

Rezension. AFRIKA - Geschichte eines bunten Kontinents

Peter Hammer

Rezension

Lutz van Dijk

AFRIKA - Geschichte eines bunten Kontinents   

Dieses Buch regt zum Nachdenken an. Ein Sprichwort aus Westafrika trifft es genau: „Wenn Du das erste Mal hierher kommst, dann mach‘ die Augen auf und nicht den Mund.“

Wir sind alle Afrikaner
Afrika ist der älteste Kontinent, die Landmasse, die als erste erkaltete und auf der sich Leben entwickelte. Alle Menschen auf allen Kontinenten sind im Grunde genommen Afrikaner, denn nur dort haben die Menschen die größte genetische Vielfalt, die sie an alle Nachkommen verteilt haben, die die Welt heute bevölkern, wie erst vor kurzem bewiesen wurde.

Die wesentlichen Erbinformationen wurden von weiblichen Vorfahren weitergegeben, wonach der erste Mensch nur eine Frau sein konnte! Afrikaner, wie der Zulu Credo Mutwa aus Natal in Südafrika schreibt in einer der ersten Darstellungen afrikanischer Geschichte überhaupt: „Es wird gesagt, dass der Große Geist das Universum … geschaffen hat … und dazu ein Wesen brauchte, das … die Erste Göttin genannt wird…“ Andere Entstehungsmythen berufen sich auf Frauen, auf die Mutter Erde oder auf ein (Ehe-)Paar. Auch in der Sprache kann man vermuten, dass es eine gemeinsame Muttersprache gab, denn es ist auffällig, dass sich das Wort „Mama“ in fast allen Sprachen so oder ähnlich erhalten hat, „auch wenn diese sonst wenig gemein haben.“ Erste Felsgravuren und Felsmalereien von Tieren, Menschen und Pflanzen sind Vorläufer der Schrift und mehr als 12000 Jahre alt. Sie sind in Namibia, Südafrika und in der Sahara zu bewundern.

Afrikanische Geschichte ohne Europäer
Für viele Leute ist es schwer sich vorzustellen, dass vor mehr als 6000 Jahren Menschen in Afrika ganz ohne störende Einflüsse von anderen Kontinenten zusammen lebten. Es kam hin und wieder zu inneren Konflikten und Afrikaner aus Zentralafrika wanderten in den Süden oder Ostafrikaner in den Norden, doch auch Klimaänderungen und die Ausbreitung der Sahara trugen zu den Wanderungen bei.

Es gab bereits die mündliche Überlieferung der Geschichte in allen Teilen Afrikas als in Ägypten und Nubien die Hieroglyphen entstanden und es wird leider zu selten erwähnt, dass die Pharaonen schwarz waren.

Sehr interessant ist der Beitrag über die ältesten Völker der Erde, der San und Khoikhoi im südlichen Afrika, der Hazda in Tanzania und der kleinen Menschen in den Wäldern Zentralafrikas oder Kameruns. Sie sehen keinen Vorteil für sich, den Wald zu verlassen.

Afrika ohne Religionskriege
Ganz aktuell ist wieder einmal die Diskussion über Religionen. Seltsam, dass es in der langen Geschichte Afrikas keine Religionskriege gab und deshalb sollte das Kapitel: „Bei den Geistern der Vorfahren - Glaube in Afrika“  unbedingt gelesen werden, ebenso der Abschnitt über die Importreligionen Judentum, Urchristentum und Islam in Nordafrika.

Aus dem Beitrag: „Südlich der Sahara - Gana, Mali und Songhai“ stehen folgende Zitate für die Zeit um 1070 und 1325: „Der König von Gana legte eine wohlwollende Toleranz gegenüber Anhängern des Islam an den Tag….“ und „Die Menschen in Mali sind selten ungerecht und haben eine große Abneigung gegen Ungerechtigkeit wie alle anderen Völker…“.
Im Süden Afrikas entstand um diese Zeit das Großreich Zimbabwe der Shona.

500 Jahre europäische Unterdrückung und Ausbeutung  
Nach 1500 begann die Unterdrückung und Ausbeutung durch die Europäer. Die ersten Ankömmlinge waren Portugiesen, Sklaven jagten alle, auch Araber, 1884/85 wurde Afrika unter Europäern aufgeteilt, ohne je einen Afrikaner gefragt zu haben. Deutsche verübten einen Genozid an den namibischen Herero, nur kurz war der Sieg der Zulus über die Briten. Auch an den Weltkriegen mussten Afrikaner teilnehmen, als Kanonenfutter für die Europäer.
Zögerlich ab 1946, dann ab 1960 befreiten sich die afrikanischen Länder von ihren europäischen Kolonialisten, doch mit China tritt ein neuer Fremdkörper auf afrikanischen Boden...  

Eine ausführliche Zeittafel am Ende des Buches trägt die wichtigen Ereignisse bis 2015 zusammen und die Literatur- und Quellenliste enthält weiterführende Werke.

Autor:
Lutz van Dijk, 1955 in Berlin geboren, war Lehrer in Hamburg, bevor er Mitarbeiter am Anne Frank Haus in Amsterdam wurde. Er promovierte über „Oppositionelles Lehrerverhalten 1933-1945“ und hatte eine tragende Rolle in der pädagogischen Friedensarbeit der 80er Jahre. Seit 2001 lebt er in Kapstadt. Er ist Herausgeber des Jugendbuchs „African Kids - eine südafrikanische Township-Tour“ und Autor des Romans für Jugendliche „Romeo und Jabulile“.  

Fazit:
Wie der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu eingangs richtig schreibt, kann man kein Geschichtsbuch über Afrika auf knapp 350 Seiten verfassen, das vollständig ist. Doch die Auswahl der Länder, Themen und vor allem und am wichtigsten der Stimmen Afrikas sind mehr als beeindruckend und macht dieses Buch sehr lesenswert. Vor allem nicht nur für Jugendliche, wie vom Verlag empfohlen (ab 12 Jahre), sondern für alle Menschen.
Es regt zu weiteren Fragen, Diskussionen und zum Nachdenken über die angesprochenen Themen an. Natürlich fehlen viele Länder und Themen, wie die noch immer nicht abgeschaffte Sklaverei in Mauretanien oder der vergessene Unabhängigkeitskampf der Menschen in der Westsahara, dennoch wurden wichtige Geschehnisse aus allen Teilen Afrikas bis in die heutige Zeit beschrieben und vor allem kamen Afrikaner selbst zu Wort, die in ihren eigenen Ländern Jahrzehnte bis Jahrhunderte lang unterdrückt wurden und schweigen mussten.

Dieses wichtige Buch sollten sich alle Schulen anschaffen, vor allem Haupt- und Mittelschulen, damit nicht nur die Schüler sondern auch die Lehrer ihr Wissensdefizit über Afrika minimieren, denn im Moment fehlt dieses Wissen in den Schulen in Deutschland.

B.Agada